Beitragsbild RedakteurIna - Zeit für Lehrer Digitale Unconference

Erste „ZEIT für Lehrer – Digital Unconference“

Bildungspolitik, Digitale Medienkompetenz , , , ,
Lesezeit: ca. 9 Minuten

Am 25. September 2020 fand die erste „ZEIT für Lehrer – Digital Unconference“ von ZEIT für die Schule und der ZEIT Akademie statt, unterstützt von der Google News Initiative. Auf dieser virtuellen Austauschplattform mit interaktiven Workshops konnten sich Lehrer vier Stunden lang über ihre Erfahrungen während des Corona Lockdowns im Frühjahr austauschen, ihre Ideen diskutieren sowie Input von Kollegen und Experten bekommen. Das große Ziel: mit- und voneinander lernen. Klingt vielversprechend und spannend. Was ist dabei rumgekommen?

Inhalt
Unconference – Was ist das eigentlich?
„ZEIT für Lehrer – Digital Unconference“ – Ideen und Ergebnisse
Die digitale Unkonferenz – ein zukunftsfähiges Veranstaltungsformat für Lehrerfortbildungen?
Offene Fragen und Feedback
Weiterführende Links
Quelle

Unconference – Was ist das eigentlich?

Während meines kurzen Herbtsurlaubs bin ich beim entspannten Lesen der ZEIT (Ausgabe 42/2020) zufällig auf einen sehr interessanten Artikel gestoßen, genauer gesagt war es eine Anzeige: Es ging um die erste „ZEIT für Lehrer – Unconference“.

Vielleicht denkst du jetzt: Ich kenne die UN-Konferenz, aber was ist denn eine Unconference? Genauso ging es mir auch bis ich mich vor ein paar Monaten auf ein Bewerbungsgespräch bei einem Medienproduktion Startup vorbereitete. Dieses Startup probiert viele solche neuen Veranstaltungsformate aus und führt sie zu verschiedenen Themen durch.

Unconference klang für mich erst mal ziemlich „fancy“, nach Startup eben. Aber hinter dem fancy Begriff verbirgt sich eine einfache Idee. Eine Unconference, auch Unkonferenz oder Barcamp genannt, ist eine offene Tagung mit offenen Workshops, deren Inhalte und Ablauf nicht bereits vorgefertigt sind, sondern von den Teilnehmern zu Beginn der Tagung selbst entwickelt und im weiteren Verlauf gestaltet werden. Für eine ausführliche Erklärung des Veranstaltungsformats Unkonferenz schau bei meinen weiterführenden Links.

„ZEIT für Lehrer – Digital Unconference“ – Ideen und Ergebnisse

Bei der „ZEIT für Lehrer – Digital Unconference“ sollte jeder Lehrer aktiv etwas beitragen, von seinen Erfahrungen während des Corona-Lockdowns berichten und am Ende etwas für den eigenen Schulalltag mitnehmen, um künftig den digitalen Wandel umsetzen zu können. Gleichzeitig waren renommierte Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zu Gast, die von ihren Ideen, Projekten und Visionen berichteten. Zu ihnen gehörten zum Beispiel Hamburgs Schulsenator Ties Rabe, Google-Managerin Isabelle Sonnenfeld, der Lehrer und Fachberater für Schul- und Unterrichtsentwicklung Dejan Mihajlovic und die Digitalexpertin Verena Pausder.

Insgesamt fanden fünf Workshops statt, in denen sich über Videoplattformen ausgetauscht wurde: „Old School, New School“, „Digital & Analog?“, „Achtsamkeit & Resililienz“, „Desinformation, Fake News“ und „Cybermobbing“.

Die Expertenbeiträge in den digitalen Workshops sind als Videoaufzeichnungen noch online verfügbar. Die Beiträge der Lehrer sind dort leider nicht zu sehen oder zu hören. Das liegt vielleicht daran, dass die Lehrer nur über Nachrichten im Chat kommunizieren konnten. Das ist nur eine Vermutung. Was die Lehrer in dieser Unkonferenz berichtet haben, habe ich leider auch nach langer Internetrecherche nicht herausgefunden. Das finde ich sehr schade, denn aus meiner Sicht sind doch die Lehrerbedürfnisse und -erfahrungen DER entscheidende Punkt, der Casus knacksus, des Pudels Kern.

Baustelle Datenschutz

Viele der teilnehmenden Lehrer fragten per Chat nach datenschutzkonformen Tools. Laut Medienpädagoge Zolltan Farkas vom Hamburger Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung macht die ungeregelte Datenschutzbestimmung momentan die kreative Nutzung von Software im Unterricht schwierig oder gar unmöglich. Er empfiehlt, dass Schulen ein zentrales Lernmanagementsystem vorgeben und die Pädagogen den Rest selbst entscheiden dürfen, vorausgesetzt sie haben digitales Know-how und das Einverständnis der Eltern. So wird es bereits in Estland praktiziert.

Für Isabelle Sonnenfeld von der Google News Initiative ist die zentrale Aufgabe der Global Player, Tools und Lernplattformen bereitzustellen und nachhaltigen Zugang zu schaffen. Zudem sollten sie für die Lehrer eine Übersicht über die Angebote und Möglichkeiten zur Verfügung stellen, diese im Unterricht einbinden zu können. Sie sieht die Medienkompetenz als eine der Kernfaktoren für eine mündige Gesellschaft.

Was die Medienkompetenz betrifft, bin ich d´accord. Aber weshalb sollen ausgerechnet Global Player wie Google den Schulen Tools und Lernplattformen bereitstellen? Einerseits verfügen sie natürlich über die Expertise und auch enstprechendes Kapital, wovon die Schulen sicherlich profitieren können. Andererseits frage ich mich, was der Datenkrake Google mit all den gesammelten Daten anstellt? Da steckt bestimmt auch ein wirtschaftlicher Aspekt dahinter.

Zudem gibt es bereits unzählige Cloud- und Lernplattformangebote. Bereits im August haben Bund und Länder im Rahmen der verlängerten EU Corona-Hilfsmaßnahmen den Aufbau einer zentralen Bildungsplattform für Lerninhalte, Prüfungen und Prüfungsinhalte beschlossen. Aber was wird nun wie umgesetzt? Ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis.

Digitale Medienkompetenz der Lehrer

Neben datenschutzkonformen Tools wünschen sich Lehrer vor allem mehr Fortbildung und Orientierung. Verena Pausder, Gründerin und Vorständin des Vereins „Digitale Bildung für alle“, fordert daher eine flächendeckende Anschaffung von Dienstgeräten und die Installation von Online-Sprechstunden sowie Webinaren. Zudem sollte es Positivlisten geben, auf denen steht, welche Lernprogramme bei welchen Herausforderungen zum Einsatz kommen können. Es soll eine Schulcloud für Videokonferenzen, Messenger und digitale Klassenräume geben, an der frei verfügbare Software angedockt ist. Ihrer Meinung nach muss es nicht immer eine Lernplattform sein, sondern man muss an das anknüpfen, was bereits da ist.

Auch hier: D´accord. Klingt gut. Aber wie soll das konkret aussehen und wie und wann wird es umgesetzt? Digitale Medienkompetenz auch für Lehrer ist ein sehr wichtiges und zudem seit langem bekanntes Thema. Es war ja auch mal die Rede von Bildungskompetenzzentren. Was ist eigentlich aus dieser Idee geworden? Davon habe ich gar nichts mehr gehört.

„Man muss an das anknüpfen, was bereits da ist.“

Verena Pausder
Digitalexpertin

„FREI DAYS“

Der Trainer und Coach Tobias Feitkenhauer stellte seine vielfach diskutierte Idee „FREI DAYS“ vor. „FREI DAYS“ sind Wochentage mit freien Stunden, in denen die Schüler selbst entscheiden können, mit welchem Zukunftsthema sie sich beschäftigen möchten. Diese Idee möchte Feitkenhauer bis 2025 an 13.000 deutschen Schulen verankern.

Ich finde das einen sehr guten Ansatz, denn Schüler brauchen für ihre persönliche Entwicklung Möglichkeiten, ihre eigenen Initiativen und Ideen zu verfolgen. Mithilfe der FREI DAYS fühlen sich Schüler ernst genommen, können selbst bestimmen und mitwirken und werden letzendlich motiviert. Das folgt auch der Vision von Dejan Mihajlovic: „Junge Leute sollen Lust haben, souverän und mündig die Zukunft mitzugestalten.“

Damit solche FREI DAYS in der Schule umgesetzt werden können, müssen Lehrpläne entfrachtet werden. Denn die bereits vollen Schultage können nicht noch voller werden. FREI DAYS können zudem Themen der Lehrpläne aufgreifen und vertiefen und Schüler können bereits im Unterricht vermittelte Kompetenzen anwenden.

„Junge Leute sollen Lust haben, souverän und mündig die Zukunft mitzugestalten.“

Dejan Mihajlov
Lehrer und Fachberater für Schul- und Unterrichtsentwicklung

Mut statt Perfektionismus

Laut ZEIT gab es viel akademischen und praktischen Input sowie viele konstruktive Unterhaltungen. Technische Störungen wurden mit spontanen und sympathischen Small Talks überbrückt. Im ersten Moment dachte ich dabei natürlich sofort: „Typisch. War ja klar, dass die Technik Probleme bereitet. Wie peinlich.“ Je mehr ich aber darüber nachdenke, desto klarer wird mir Eines: Technische Pannen gehören dazu. So lernt man zu improvisieren. Nach dem Motto: Hab keine Angst, etwas Neues zu wagen. Einfach mal ausprobieren und daraus lernen – gemeinsam! Man wächst mit seinen Aufgaben. Das ist wichtig für den Schulalltag, für Schüler und Lehrer, aber auch für die deutsche Schulpolitik. Der folgende Spruch mag jetzt vielleicht etwas kitschig klingen, aber es trifft den Kern der Sache: „Mit Mut fangen die schönsten Geschichten an.“

In dem Workshop „Analog & Digital“ berichtete der Mathelehrer Sebastian Schmidt von der Inge-Aicher-Scholl-Realschule in Neu-Ulm von seinen Technikpannen im Alltag und plädiert: „Mut zu Fehlern! Mut zur Lücke! Es gibt keinen perfekten Unterricht und keine perfekte Nutzung von Endgeräten.“ Schmidt produziert regelmäßig Mathe-Lernvideos für seine Schüler auf YouTube und wurde für sein Engagement 2019 mit dem Deutschen Lehrerpreis ausgezeichnet.

„Mut zu Fehlern! Mut zur Lücke! Es gibt keinen perfekten Unterricht und keine perfekte Nutzung von Endgeräten.“

Sebastian Schmidt
Mathelehrer und Gewinner des Deutschen Lehrerpreises 2019

Die digitale Unkonferenz – ein zukunftsfähiges Veranstaltungsformat für Lehrerfortbildungen?

Da ich bisher leider noch nicht an einer Unkonferenz teilgenommen habe, kann ich selbst von keiner persönlichen Erfahrung berichten. Ich kann nur aus den vorhanden Artikeln und Berichten ableiten, dass sich eine digitale Unkonferenz als Weiterbildung- und Austauschformat für Lehrer zukünftig etablieren könnte. Über die Formatbezeichnung kann man ja noch mal nachdenken – es muss ja nicht immer alles „fancy“ klingen 😉. Das schreckt ja vielleicht manche auch eher ab.

Für den Lehreralltag spielen Zeit und Nutzen eine sehr große Rolle. Wenn man also Weiterbildungen in diesem Onlineformat anbietet, sparen sich Lehrer lange Anfahrtswege. Wenn sie selbst die Themenschwerpunkte mitbestimmen können, redet man nicht aneinander vorbei und nehmen auch wichtige Erkenntnisse für sich mit.

Damit das alles funktioniert und den gewünschten Mehrwert bringt, muss eine digitale Unkonferenz natürlich sehr gut vorbereitet und die Lehrer nicht nur stumme Zuhörer, sondern aktive Teilnehmer sein. Denn eine Party ist nur so gut wie ihre Gäste und Gastgeber oder in diesem Fall: Eine Veranstaltung ist nur so gut wie ihre Teilnehmer und Veranstalter.

Ein persönliches Kennenlernen oder eine „analoge“ Unkonferenz ist darüber hinaus natürlich auch möglich und sogar wünschenswert. Denn der persönliche Kontakt und Austausch ist das A&O. Besondere Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel die aktuellen Corona-Beschränkungen, erfordern eben besondere Formate.

„Eine Veranstaltung ist nur so gut wie ihre Teilnehmer und Veranstalter.“

redakteurina

Offene Fragen und Feedback

Auch wenn ich das Format grundlegend gut finde, sind mir einige Dinge noch nicht ganz klar geworden. Nachdem ich mir die Videoaufzeichnungen der „ZEIT für Lehrer – Digitale Unconference“ angeschaut habe, hatte ich den Eindruck, dass es sich hier doch eher um eine Videokonferenz handelt. Die Workshop-Atmosphäre habe ich vermisst. Vielleicht lag das aber auch daran, dass die Videoaufzeichnungen nur einen kleinen Ausschnitt vom Geschehen zeigen.

Daher interessiert es mich sehr, wie die teilnehmenden Lehrer die ZEIT Unkonferenz fanden. Was hat sie konkret den Lehrern für ihren Schulalltag gebracht?

Darüber hinaus möchte ich auch gerne wissen, ob du schon Erfahrungen mit Unkonferenzen gemacht hast? Wenn ja, welche? Was erwartest du von diesem Veranstaltungsformat?

Und mein letzes großes Fragezeichen: Welche Rolle spielte die Google News Initiative bei der „ZEIT für Lehrer – Digital Unconference“?

Deine RedakteurIna 🙋‍♀️

„ZEIT für Lehrer – Digital UNCONFERENCE“, Rückblick der Veranstaltung am 25.09.2020 inklusive Videoaufzeichnungen der digitalen Workshops
Unkonferenz (Barcamp) – Wikipedia-Artikel, abgerufen am 27.10.2020
Unkonferenz – Artikel der Digitalwerkstatt Forchheim, abgerufen am 27.10.2020

Quelle

„ZEIT für Lehrer – Unconference: digital und menschlich“, Anzeige in Die ZEIT, Ausgabe 42/2020 vom 08.10.2020